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Monday, October 22, 2007

Der Winter




Schon ins Land der Pyramiden
Flohn die Störche übers Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden,
Und die Sonne scheint nicht mehr.

Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!

Nebel hat den Wald verschlungen,
der dein stilles Glück gesehn;
ganz in Duft und Dämmerungen
will die schöne Welt vergehn.

Nur noch einmal bricht die Sonne
unaufhaltsam durch den Duft,
und ein Strahl der alten Wonne
rieselt über Tal und Kluft.

Und es leuchten Wald und Heide,
dass man sicher glauben mag:
hinter allem Winterleide
liegt ein ferner Frühlingstag.

Theodor Storm


Nun ist der Winter hier. Er ist aus den Bergen hierher geschlichen, sehr leise, ohne dass ich ihn gesehen hätte. Es war plötzlich in der Nacht, zwischen den Minuten, die eine Kette zwischen Mitternacht und Mitten in der Nacht bilden, wo ich nicht so ganz aufpasse. Geschlafen habe ich nicht, ich lag in meinem Bett, unter der Federdecke alleine in dem großen, weichen Bett--doch der Schlaf ist nicht gekommen, das Sandmännchen auch nicht, nur Jack Frost und der Wind--und der Winter. Die Wolken kommen vom Osten, von der Prärie, und werden vom durstigen Wend über die Maisfelder und Höfe zu uns getragen. Sie stoßen gegen die Berge, die plötzlich von der Erde wie eine Mauer von Kanada bis fast Mexiko ragen.

Der Winter, er versteckt sich in den Bergen, er wurde nicht vom Wind getragen. Er hält sich dort auf, wo man ihn nicht finden kann, in den Höhlen und Tälern, in den großen stolzen Kiefern und unter den Tannenbäumen. Zu dieser Jahreszeit kommt er hervor, immer tiefer, bis er uns erreicht, wir, die viel tiefer sind. Er winkt dem Bär zu, der sich auf den großen Schlaf vorbereitet, im Vorbeigehen. Der Winter wird jetzt nicht bleiben, er besucht nur, und wird der Prärie bald den Rücken kehren, bis es wirklich seine Zeit ist. Noch ein paar Wochen bleiben uns, die feuerroten und golden Blätter zu bewundern, bevor auch sie verschwinden, dem Sommer hinterher.

Jetzt liegen wir unter einer Decke Schnee, jetzt dass der Wind nicht mehr Waagerecht bläst, dass es zu kalt ist für Regen, dass es Zeit ist, uns daran zu erinnern, dass der Winter doch auf uns wartet.


Bild vom Winter 2006

PS: ich hab in der Stadt gewohnt, wo Theodor Storm geboren wurde. Cool, was? :)

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