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Sunday, October 07, 2007

Ziellose Gedanken

Hier bin ich wieder! Habt ihr mich vermisst? Ich verschwende schon wieder meine Zeit im Internet. Passiert leider allzu oft, auch wenn ich allzu viele andere Sachen am Hals habe. So erstrebenswert--und so erfreulich--wie die Produktivität ist, schaffe ich es einfach nicht, mich dem Berg von Aufgaben zu wenden. Außerdem ist das hier viel interessanter, als sämtliche Knochen auswendig zu lernen, was ich eigentlich sonst hätte machen müssen.

Ich hab leider nicht viel zu sagen, oder nichts Interessantes. Hauptsächlich verbringe ich meine Zeit damit, Einträge von meinem ,,To-do List" zu streichen. Das macht mich unheimlich glücklich. Wie ihr mich kennt, macht mich nichts glücklicher als etwas Geschafft Zu Haben. Oder geschafft- geschaffen- verschaffen- verschlafen- vergessen- gegessen- gegeben- ge-----ähm, ich hör schon auf.

Genauer gesagt, verbringe ich meine Zeit damit, denselben Leuten dieselben Sachen zu erklären; denjenigen, die auf mich zukommen und mich mit dem wunderbaren Satz ,,ich brauch' n Buch" in den Wahnsinn treiben. Sie glauben--also die Leute, die Studenten glauben, dass es für uns nichts Himmlicheres auf Erde gibt, als ihr Buch auszusuchen. Versteht mich nicht falsch, ich mag es gerne, den Leuten zu helfen. Aber besonders kompliziert ist es nicht, die Bücher gefälligst mal selbst nachzuschlagen, wo sie sind. Es ist genauso kompliziert wie etwas zu googeln (wie ich das Word hasse, sowohl auf Englisch als auf Denglisch), und genauso anspruchsvoll. Goldfische, meine Oma--wäre sie nicht gestorben--und ein begabter Säugling hätten es machen können, so einfach ist es. Besonders lustig sind die Studierenden, die kurz vorm Abschluss sind und zu uns kommen, weil sie nicht die geringste Ahnung haben, wie sie ein Buch finden, weil sie noch nie--noch nie!--in der Bibliothek waren. Um diese Leute mache ich mir Sorge. Sie werden in 10 Jahren wahrscheinlich Präsident.

Na gut, über die Arbeit kann man ja immer meckern, vor allem, wenn es um Kunden geht. Leute sind lustig, leider leiden die meisten an mehrfachen Mehr- und Minderwertigkeitskomplexen, die es uns schwierig machen, Sachen zu suchen, selbst wenn wir es wollten. War das ein Satz? Bin ja nur Ausländerin.

Eigentlich bin ich nicht mehr Ausländerin. Ich war es so gewöhnt, irgendwann im Laufe des Gesprächs sehr selbstgefällig, beiläufig erwähnen zu können, dass ich ja Amerikanerin bin. Und meine Gesprächspartner freuen sich und loben mich unheimlich, weil ich kein Akzent habe und so unglaublich wunderbar super toll Deutsch kann. Eigentlich irritiert mich das, und mein Ziel war es, dass die Leute nicht erfahren, dass ich nicht Deutsche bin. Es funktioniert nur wenn a) wir beide betrunken sind, b) der Andere betrunken ist, oder c) wir auf einer Party sind. Am Besten alle drei auf einmal--der Andere darf auch doppelt so betrunken sein, wenn's euch recht ist. Und jetzt habe ich den Faden verloren--wahrscheinlich weil meine Mutter angerufen hat, und wir unterhielten uns ne Stunde lang auf Französisch. Merkwürdig, aber wahr. Unser Gespräch lief ganz gut, war nur darauf beschränkt, was man eben mit einem Wortschatz von 200 Wörtern hätte erzählen können. Sich mit mir auf Französisch zu unterhalten ist wahrscheinlich gleich wie sich mit einem fünfjährigen Kind zu unterhalten; nur, dass ich kein Gekritzel mitgebracht hab, um zu behaupten, es sei ein Pferd oder ein Flugzeug (oder noch besser, ein Pferd in einem Flugzeug).

Ach so, jetzt weiß ich noch, wo ich war. Jetzt bin ich nicht mehr Ausländerin, jetzt bin ich Amerikanerin wie alle andere, nur, dass ich nicht so ganz reinpasse. Zum Ersten verwende ich das Word ,like' so gut wie überhaupt nicht, und ich kriege Gänsehaut, wenn meine Mitstudenten (oder besser gesagt, meine Mitstudentinnen) das Word so oft benutzen, als ob es ihnen gleich weggenommen wird. Man soll es ihnen wegnehmen. Zum Zweiten kann ich kein Englisch mehr. Ich rede wie aus einem Buch aus dem 18. Jahrhundert, mit kompletten Sätzen und den Wörtern, die genau dem treffen, was ich sagen will. Und außerdem ziehe ich mich merkwürdig an, ich laufe nicht mit Trainingsanzügen durch die Gegend, ich besitze keine Crocs, ich betrachte Laufsachen nicht als Mode, ich trage eine Pilotenbrille und keine übergroße Insektenaugen, und ich bin zu faul, um mich zu schminken. Und, die größte Sünde: mein Handy ist mir völlig egal. Eigentlich vergesse ich es zu Hause öfter als ich es mitnehme, ich bin permanent nicht zu erreichen, es hat keine Spiele und kein Kamera drauf und ich mag nicht mit ihm SMS schicken. Da bin ich wirklich ein Einzelfall. Es ist nicht schlimm, nicht angepasst zu haben. Es ist mir eigentlich egal, und wenn man mich nicht mit einer Sorority-Sister verwechselt, umso besser.

Ich bin auch älter als die Meisten hier. Das kommt mir unheimlich komisch vor, denn ich war in meiner Schulklasse die dritt-Jüngste. Von 250. Und in Deutschland--ihr seid alle 22, 23, 24, oder noch älter. Okay, nicht alle, aber viele, und es ist gewöhnlich mit 24 noch am Studium zu sein. Hier hat man schon längst einen Job, oder wird eben keinen bekommen, aber studiert zumindest nicht mehr. Oder, man ist schon 26, 27 oder so, und hat's irgendwie nicht geschafft, das erste Mal zu Ende zu studieren. Ich bin jetzt im letzten Studienjahr, und meine Kommilitonen sind 19 oder 20 Jahre alt. Das ist auch das Geheimnis meiner Beliebtheit--ich bin 21, und darf endlich Alkohol kaufen. Lustig, was? Aber es ist ein Felony (höchst strafbar), Alkohol für Minderjährige zu kaufen.

Colorado ist unheimlich traumhaft schön, besonders jetzt, wo die Bäume gold und rot und braun werden. Sie schmucken sich vorm Winter, der übrigens vielleicht schon dieses Wochenende Besuch erstatten wird. Die Berge ragen hinter der Uni und der Stadt wie große Wächter. Die Leute sind sozial sehr engagiert, sie sind sehr aktiv (Hobbyjogger ohne Ende, auch die Profs). Wenn es drei Uhr morgens, die Straße völlig verlassen und die Ampel rot ist, gucken die Franzosen und gehen trotzdem. Die Amerikaner gehen, ohne zu gucken---und die Deutschen stehen da, bis es grün wird. Wir nehmen es mit der Ordnung ja net so ernst. Aber wehe, wenn du rauchen willst--es ist fast überall Rauchverbot. Man darf ja innerhalb von 15 Fuss (5m) vorm Eingang nicht rauchen---also verkriechen sich die sozial ausgeschlossenen Raucher im Regen und im Schnee. Aber kiffen tut fast jeder. Trinken + fahren tut man auch.

Gestern saß ich im Bus und der Typ hinter mir hat mich angequatscht. Er hat sich vertan, glaubte, mich im Sportzentrum gesehen zu haben. Wir waren zur gleichen Zeit da, ich trug aber kein oranges T-Shirt. Egal, wir haben uns für die Fahrt unterhalten. Er ist VWLer, schwimmt, hat noch anderthalb Jahre zu studieren. War sehr nett, wir haben uns gut unterhalten, ich habe ihm meine Emailadresse gegeben. Das passiert in Deutschland ja nicht so oft. Die Leute im Supermarkt fragen dich, wie es dir geht, ob sie dir helfen können. Ich muss mich immer hinter dem Regal verstecken, ich schleiche durch den Markt in der Hoffnung, nicht von einem übereifrigen Mitarbeiter überrascht und attakiert zu werden.

Also, ich mach mich ja dran--ich hab ja zu tun, ich kann nicht den ganzen Tag nur Quatsch erzählen, als ob es mir irgendwie langweilig wäre.

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