Die erste Woche Uni habe ich nun überstanden, mit intakten Gliedmaßen und annehmbarer Laune. Es war etwas anstrengend, ein bisschen wie in einem See zu schwimmen, zwischen Algen ohne klare Sicht, wo es alles hingehen sollte. Dazu kam noch die erste Woche Arbeit (wollte ja alles gleichzeitig anfangen, sonst macht's ja kein Spaß).
Das Studium in den USA unterscheidet sich wesentlich vom deutschen Studium. Erster Unterschied: wir bezahlen viel Geld. Das sieht man. Die Einrichtungen sind schön und gepflegt, es gibt Computer frei zur Verfügung in fast allen Gebäuden, die Labor sind Weltspitze (mehrmals Nobelpreisgewinner für Physik), die Bibi ist riesig (du kannst dir neue Laptops und DVDs ausleihen) und zumindest von außen schön. Einen großen Rasen (,,Quad") streckt sich zwischen den Gebäuden, Blumenbeeten und Fahrradstraßen bezeichnen die Wege. Es gibt Teiche, je mit einer romantischen Brücke. Der italienische Baustil der Toskana prägt die Gebäude, deren rötlicher Sandstein mit der Grüne der Bäumen und Rasen kontrastiert. Es kommt mir gewissermaßen seriöser vor, professioneller.
Der Campus ist ein großer Stadtteil, eine Insel in einem liberalen See. Fast 4000 Studierende wohnen direkt auf dem Campus--Pflicht ist es, im ersten Jahr in den dreckigen Dorms zu wohnen, wo man ein Zimmer zu zweit teilt und alle Mahlzeiten in der Mensa zu sich nimmt. Es gibt einen Stadion, eine Laufbahn, eine Sporthalle, Theater, Amphitheater, Planetarium, usw. Es gibt auch sechs oder so Colleges, zu denen mein College der Arts and Sciences gehört--Geisteswissenschaften, wie man es hier nennt. Ingeneurwissenschaften, Architektur, Musik, und andere teilen auch die Einrichtungen.
Das Anmeldeverfahren findet im Internet einige Monate im Voraus statt. Mich habe ich in April für das Herbstsemester angemeldet. Manche Kurse verwenden einen ,,clicker", ein Gerät, mit dem du fragen (z.B. Mäthe- oder Meinungsfragen) in einer Vorlesung von 500 Leuten beantworten kannst. Deine Antworte werden auch deinem Profil zugeschrieben. In so einer Veranstaltung fühlt man sich etwas verloren, etwas vergessen und unwichtig, nur eine unter vielen. Man kennt sich nicht, nicht wirklich, wobei in einer kleineren Fakultät wie meiner lernt man sich irgendwann doch kennen. Wenn man Glück hat, teilt man den Kurs mit einem Bekannten oder Freund.
Da ich in Deutschland keine Grundstudiumsveranstaltungen belegt habe, kann mein Vergleich nicht so ganz stimmen, aber in den Grundkursen hier gibt es kein Referat, keine Hausarbeit, nicht wirklich. Die Note wird aus vielen kleineren Komponenten zusammengesetzt, Reaktionsschreiben von je 2 Seiten, Anwesendheit, Partizipation, usw. In den höheren Politikkursen schreibt man eine Hausarbeit von ugf. 15 Seiten und dazu noch zwei oder drei Klausuren. Sonst ist es eine Vorlesung, und man schreibt auf, was der Dozent sagt; außerdem liest man für jeden Kurs ugf. 30 Seiten pro Tag.
Die erste Woche kam mir wie eine Prüfung vor, einerseits eine Gelegenheit, zu zeigen, dass ich doch eine Ahnung habe aber anderseits ein Zwang, alles auf der Stelle zu können und zwar sofort. Die unterschiedlichen Ansprüche meiner Kommilitonen stoßen mit denen meiner klirrend zusammen, meine Welt ist die ihren sehr anders. Es ist isolierend, dass es in jedem Raum neue Leute gibt, und mit vielen will ich nichts zu tun haben. Die Jungs, die nur an Football denken, die Mädchen, die Sonnenbrillen so groß wie Teller tragen und wie Insekten aussehen--sie schreien ständig ihre Handys an, hören gleichzeitig auch Musik und das alles mit dem feinsten und gehobenen Valleygirl (ggf Surfer)-Akzent. Das Wort ,,like" findet Platz zwischen jedem zweigen Wort, sie reden teilweise grammatisch falsch, immer sehr laut, und nur vom Sich-am-Wochenende-bzw.-jeden-Tag-Betrinken.
Alle Leute sind nicht so. Nur, weil ich Einführungsveranstaltungen mitbelegen musste, komme ich mit dieser Art Leuten in Kontakt. Politikstudenten sind was anderes, und die Model-United-Nations-Leute sind eine Rasse an sich. Man kennt sich. Ich fühle mich mit denen wohl, während ich sonstwo einfich fehl am Platz bin.
Am ersten Tag griff ein geistlich Gestörter einen Ersti mit einem Messer an und versuchte, ihm die Kehle durchzuschneiden, bevor er sich selbst mit dem Messer verletzte. Man weiß nicht, warum er es gemacht hat. Dem Studenten geht es relativ gut. Er sagte: ,,ich wusste, dass es schwierig an der Uni anzufangen sein würde, aber so hart habe ich es mir nicht vorgestellt."
In der Bibliothek zu arbeiten macht mir Spaß. Alle mögliche Leute kommen herein und wollen Bücher und Hilfe, öfters gleichzeitig. Es gibt Leute, die bald ihren Abschluss bekommen und noch nie in der Bibi waren. Andere haben sich zum zig-tausendsten Mal verlaufen und wollen nur das eine Buch haben, nach dem sie zwei Stunden gesucht haben. Es macht mir auch Spaß, die Bücher anzuschauen, die ich einchecken muss. Alle mögliche Studienrichtungen, von Organentransplant zur Krisenbewältigung, Ethnologie und Chemie. Ich mag es, die Leute zu fragen, was sie mit den Büchern wollen--was sie für eine Arbeit schreiben, für welchen Kurs.
Leiter habe ich es nicht geschafft, in der Woche Hausaufgaben zu machen. Außer den Kurse hatte ich noch Arbeit, Termine, und zig Tausend private Sachen zu erledigen. Also stehe ich gerade einem ganzen Berg von Aufgaben gegenüber, denen ich mich nun widme.
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